„Wir sind die Guten“

Über die Identitäre Bewegung

„0% rassistisch, 100% identitär“, „Wir sind die Guten“, „Heimat, Freiheit, Tradition“: Das sind die Parolen der Identitären Bewegung, einer in Österreich relativ neuen und aktionistischen Strömung des rechtsextremen Spektrums.

Zunächst eine kleine Chronik:
Vorerst arbeitsteilig in zwei Gruppen aufgeteilt, bildete die mittlerweile aufgelöste und in der Identitären Bewegung aufgegangene Gruppe W.I.R. (Wiener Identitäre Richtung) die Rolle des intellektuellen Stichwortgebers, während die Identitäre Bewegung (IB) den aktionistischen Part übernahm. Das Konzept einer Identitären und deren politische Inhalte haben sie sich dabei vom französischen Bloc Identitaire und dessen Jugendorganisation Génération Identitaire abgeschaut, mit denen sie enge Kontakte pflegen. Mittlerweile hat sich der identitäre Trend auch unter Kadern der Jungen Nationaldemokraten und der NPD in Deutschland breitgemacht, die Vorreiterrolle nehmen bislang jedoch die österreichischen Identitären ein.

Neben der Vernetzung mit anderen identitären Gruppen in Europa versuchen die hiesigen IdentitätsschützerInnen, Brücken ins rechtsextreme Eck zu schlagen.
So schaffte es W.I.R., ins rechtskatholische und nationalkonservative Spektrum rund um die Junge Europäische Studenteninitiative (JES) und den Wiener Akademikerbund, welcher mittlerweile eine rechtsextreme Abspaltung des Österreichischen Akademikerbunds der ÖVP darstellt, vorzudringen und auch Kontakte ins bundesdeutsche, neurechte Spektrum rund um Zeitschrift „Blaue Narzisse“ zu unterhalten.[1] Mit oben genannten Gruppen veranstalteten die Identitären im Sommer letzten Jahres einen Vortragsabend in den Räumlichkeiten des Wiener Akademikerbundes, auch diesen April ist ein ähnlicher Vortragsabend geplant.[2] Als Sprecher für die Identitären treten dabei deren Aushängeschild, Alexander Markovics, ehemals W.I.R., nun in der IB, auf, und für die JES Venzel Czernin.[3]
Aber auch von Seiten des burschenschaftlichen dritten Lagers bekommen die Identitären Lob, unter anderem von Andreas Mölzers „Zur Zeit“ und von Martin Grafs Blog „unzensuriert.at“, auf den die Gruppe W.I.R. verlinkt. Ob die Identitären durch eine Kooperation mit der JES und durch die – zumindest offizielle – Distanzierung zur freiheitlichen Parteipolitik weiterhin beim stramm deutschnationalen Lager aus Burschenschaften, FPÖ und deren Vorfeldorganisationen beliebt sein werden, bleibt dabei vorerst offen.

Eine gewisse Medienöffentlichkeit erlangte die Identitäre Bewegung durch Aktionen wie die Hardbass-Flashmobs gegen einen Tanzworkshop der Caritas und im Votivpark gegen die Flüchtlingsprotestbewegung, eine Aktionsform, die sie sich von osteuropäischen Neonazis abgeschaut haben.
Am spektakulärsten war jedoch die versuchte Gegenbesetzung der von Refugeeaktivist_innen besetzten Votivkirche am 10. Februar diesen Jahres, die nach wenigen Stunden von den identitären Besetzern abgebrochen wurde.
Dass sich unter den Identitären personell einige burschenschaftliche Kader finden, welche sich schon zuvor an der neurechten Gruppe „Der Funke“ versucht haben, zeigt nicht nur die ästhetische Kontinuität, sondern auch der fortgesetzte Aktionismus an der Uni.
In den letzten Semestern kam es immer wieder zu Störaktionen der Identitären bei linken bzw. antifaschistischen Veranstaltungen.
Verbal grenzen sich die Identitären vom Neonazismus ab, verwehren sich gegen den Vorwurf des Rassismus und Antisemitismus und distanzieren sich von NS-Nostalgie und biologischem Rassendenken.
Dass sie nichtsdestotrotz ein Haufen völkischer und nationalistischer Spinner sind, die ihren Rechtsextremismus hinter neuer Symbolik und anderen Begrifflichkeiten verpacken, beweist schon ein Blick in ihre Positionierungstexte.
Zentral für die Ideologie der Identitären ist der Ethnopluralismus, d.h. die Vorstellung, dass Menschen untrennbar mit ihrer „Kultur“ bzw. ihrem „Volk“ verbunden sind, oder wie es bei den Identitären heißt:
„Unsere Identität ist für uns das Zusammenspiel aus unserer tradierten Kultur, unserem Bewusstsein, eine homogene, verwandte Gemeinschaft zu sein […]“.[4] Demenstsprechend tritt auch ein typisch rechtsextremer Antipluralismus und Antiliberalismus zu Tage, wenn es etwa heißt: „Demokratie […] erfordert eine gewisse Homogenität in der Bevölkerung, damit sie einen gemeinsamen Willen bilden kann.“ Dass mit der Homogenität eine völkisch homogene Volksgemeinschaft gemeint ist, dürfte hierbei offensichtlich sein.
Als Feindbilder dienen dabei Multikulturalismus und Islamisierung, womit sich die Identitären durchaus in einen ähnlichen Diskurs eines antimuslimischen Rassismus begeben, wie er auch von Seiten der FPÖ, PI-News, der Front National oder Pro Deutschland kommt.

Angestrebt wird von den Identitären im Prinzip dasselbe, was sich auch FP-Europapolitiker vom Schlage eines Andreas Mölzer herbeiträumen: Eine Ansammlung von untereinander getrennten Volksgemeinschaften, oder wie es in der Rechten heißt: „ein Europa der Vaterländer und Nationen“, welche als starker Gegenpol einerseits gegen die als angeblich volkszersetzend und kosmopolitisch imaginierte EU dienen soll, andererseits gegen einer als von den USA ausgehend imaginierten Globalisierung. Auch wenn die Identitären sich bemühen, sich in der Nahostkonfliktdebatte bloß nicht zu positionieren (weder Kippa noch Palituch), und sich vom NS-Antisemitismus abzugrenzen versuchen, lässt sich aus der identitären Globalisierungskritik doch ein struktureller Antisemitismus konstatieren.[5] So verwundert es auch nicht, wenn dann schon mal die identitären Kameraden von der neurechten „Blauen Narzisse“ das als völkisch homogen verherrlichte Nordkorea gegen den westlichen Imperialismus publizistisch verteidigen.[6]

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Identitären denselben völkischen Nationalismus, Rassismus und Antipluralismus wie die deutschnationalen Burschenschaften teilen. Was sie unterscheidet, ist im Wesentlichen der fehlende NS-Bezug und ein nicht zur Schau gestellter Antisemitismus.
Schlussendlich fragt sich, ob der identitäre, neurechte Trend im österreichischen Rechtsextremismus mit seiner Distanzierung zu Antisemitismus und zur NS-Verherrlichung ernstgemeint ist, oder ob hinter der Maske der sich gemäßigt gebenden Identitären doch nur der althergebrachte Neonazismus steckt. Bestätigen würde letztere Annahme, dass wesentliche Teile des identitären Kaderpersonals selbst aus dem burschenschaftlichen und neonazistischen Milieu entstammen.

Andererseits spricht der Fakt, dass sie die Gesellschaft von neurechten und rechtskatholischen Organisationen wie den Wiener Akademikerbund, die JES und die „Blaue Narzisse“ dem deutschnationalen burschenschaftlichen Milieu vorziehen, für eine ideologische Abkehr.
Dass diese Kooperationen aus taktischem Kalkül erfolgt, gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen Schwäche des Neonazismus nach dem Prozess gegen die Betreiber von Alpen-Donau-Info, kann zudem nicht ausgeschlossen werden.

Doch egal ob neonazistisch oder „gemäßigt“ neurechts: Einig sind sie sich in ihrem völkischen Nationalismus, ihrem Antifeminismus, Antiegalitarismus und Rassismus.
Gerade der identitäre Aktivismus der letzten Monate hat gezeigt, dass sie als rechtsextreme Bewegung nicht unterschätzt werden darf. Antifaschistisches Engagement darf nicht bei den altbekannten Schmissfressen und deren Konsorten halt machen, auch das neurechte Identitärenpack muss Ziel antifaschistischer Kritik und Praxis sein.

[1] Zum Begriff „Neue Rechte“ und dessen Problematik siehe: Brigitte Bailer, Parteistatt Metapolitik. „Neue Rechte“ und FPÖ in Österreich, in: Wolfgang Gessenharter, Thomas Pfeiffer (Hrsg.), „Die Neue Rechte – eine Gefahr für die Demokratie?“, Wiesbaden 2004, S. 163-174.

[2] http://ib-oesterreich.at/?p=433

[3] http://wirfürwien.at/?p=438

[4] http://ib-oesterreich.at/?page_id=13

[5] Zu strukturellem Antisemitismus siehe u.a. http://www.trend.infopartisan.net/
trd0101/t120101.html

[6] http://blauenarzisse.de/index.php/anstoss/item/3834

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