Vereint gegen Israel – Diskursiv in den Antisemitismus

Der antizionistische Kampf am Berliner Otto-Suhr-Institut.

„Israel ist ein Kolonialstaat. Und Punkt.“ Eleonora Roldán Mendívil veröffentlichte Sätze wie diesen in den vergangen zwei Jahren auf ihrem Blog cosas que no se rompen, brüllte in Berlin wiederholt für die Intifada und bekundete ihre Solidarität mit Antisemit*innen des maoistisch-stalinistischen Jugendwiderstands.1 Im Wintersemester 2016/17 leitete sie am Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universität Berlin das Seminar „Rassismus im Kapitalismus“. Nachdem die Hochschulgruppe Gegen jeden Antisemitismus an der FU die Institutsleitung in einem offenen Brief auf Roldán Mendívils Aktivitäten aufmerksam machte,2 waren sich Studierende und die Berliner Anhänger*innen Trotzkis, Stalins und Maos endlich einig und solidarisierten sich mit der Dozentin. Sie witterten eine rechte Hetzkampagne und verleugneten den Antisemitismus in Mendívils Aussagen.3 Die Diskussionen bewegten die Institutsleitung schließlich zur Ausrichtung einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Israelkritik und die Grenzen der akademischen Diskussionsfreiheit“. Noch der plumpste Israelhass wurde so zum Anlass, einmal mehr die „richtige“ Kritik an Israel einzuüben. Dass Roldán Mendívil selbst die großzügig gezogenen Grenzen überschritten hatte, liegt dabei eigentlich auf der Hand. In ihren Blogeinträgen, die sie nach der ungewollten Aufmerksamkeit bald löschte, lässt sie kaum eine gängige Diffamierung Israels aus: Die jüdische, israelische Bevölkerung besetze ihr zufolge nicht nur in kolonialistischer Manier ganz Palästina und setze dort eine Apartheid durch,4 sondern verübe auch einen „forwährendem [sic] Genozid in Palästina.“5

Diese Zustände gelte es abzuschaffen; eine Forderung, die vor dem Hintergrund der genannten Zuschreibungen und Titulierungen nur als radikale Negation des Existenzrechtes Israels verstanden werden kann. Die Ignoranz gegenüber historischen Tatsachen und einen Hang zur antisemitischen Verschwörungstheorie, offenbart Roldán Mendívil auch dann, wenn sie versucht, die Geschichte Israels und dessen Ursprung im Zionismus zu skizzieren. 1948 hätten, nach ihren Schilderungen, die Mehrheit der Jüdinnen und Juden einen Staat Israel abgelehnt.

„Deswegen haben auch nach ’48 Zionist*innen so händeringend um [sic] jüdische Immigrant*innen gesucht […], dass ein bestimmter Flügel in arabische Länder gegangen ist (z.B. in den Irak) und angefangen hat Angst und Schrecken in den dortigen jüdischen Gemeinden zu propagieren; durch Bomben und Attentate auf die eigene Community. Somit wurde ein Massenexdus [sic] dann in den 1950’er Jahren nach Israel getriggert…“6

Die Einwanderung, Flucht und Vertreibung von etwa 850.000 Sephardim und Mizrachim wird so zu einem Resultat eines jüdischen Terrors umgedichtet. Roldán Mendívil bedient sich hiermit einer Deutung, die maßgeblich und vermutlich zuerst von den antisemitischen Verfolger*innen der irakischen Jüdinnen und Juden der 1940er Jahre gestreut wurde.7 Eine ähnliche Verkehrung des Verhältnisses von Tätern und Opfern betreibt sie, wenn sie sich zu den antisemitischen Terrorist*innen der Hamas äußert. Auch diese seien nur eine Folgeerscheinung der Existenz Israels; die Verantwortung für ihre Existenz und ihr Handeln sei im Grunde Israel zuzuschreiben.8 Explizit solidarisch erklärt sie sich in den genannten Beiträgen derweil mit den Hammer-und-Sichel-Schlägern des Neuköllner Jugendwiderstands9 und der antisemitischen BDS-Bewegung,10 die fanatisch für die (auch akademische) Isolierung Israels – und das meint dezidiert aller Israelis, die sich nicht öffentlich von ihrem Staat distanzieren – kämpft und so selbst der akademischen Diskussionsfreiheit ihre Grenzen aufzwingt.11 Ferner ist Roldán Mendívil offenbar in der sogenannten Antikapitalistischen nichtweißen Gruppe aktiv.12 Diese äußerte beispielsweise, dass die zahlreichen Messerangriffe auf jüdische Israelis seit dem Spätsommer 2015 keine Zivilist*innen treffen würden, da alle Bürger*innen des „Kolonialstaats“ Israel, welche jemals Wehrdienst leisteten, diesen Status für sich nicht beanspruchen könnten.13 Durch ihre öffentlichen Äußerungen verbindet Roldán Mendívil somit die theoretische Delegitimierung der Existenz Israels mit der Erklärung, solidarisch an der Seite derer zu stehen, die diesen Staat und seine Bürger*innen praktisch isolieren und gewalttätig attackieren.

Für die Geschäftsführung des OSI reagierte Professor Bernd Ladwig am 10. Januar mit einer öffentlichen Stellungnahme auf den offenen Brief der Gruppe Gegen jeden Antisemitismus an der FU, den diese kurz zuvor verfasst hatte.14 Die Vorwürfe sollten demnach umgehend untersucht, die Qualitätsstandards für die Vergabe von Lehraufträgen überprüft und eine Podiumsdiskussion organisiert werden. Die angekündigten Konsequenzen riefen erwartungsgemäß die Genoss*innen der vermeintlich Angeklagten auf den Plan: In der Verurteilung der „rechten, zionistischen Hetzkampagne“ gegen die „kritische Wissenschaftlerin“ versuchten sich Nachwuchstrotzkist*innen und -stalinist*innen einschlägiger Berliner Gruppen ebenso zu übertreffen, wie Studierende in ihren Solidaritätsbekundungen.15 Nachdem die beginnenden Diskussionen es bis in die Berliner Tageszeitungen und die Jerusalem Post geschafft hatten und selbst der notorische Israelkritiker Daniel Bax in der taz von einer „Schmutzkampagne rechter, proiraelischer Kreise“ berichtete, setzte die Betroffene selbst alles daran, als standhafte Kämpferin zu erscheinen. Während einer Diskussion, die sich im Anschluss an eine Sitzung ihres Seminars am 11. Januar entwickelte, bekräftigte sie noch einmal ihre Haltung: Bei Israel handle es sich um einen Kolonial- und Apartheidstaat, es finde ein Genozid statt und BDS sei eine gute Möglichkeit, das Existenzrecht Israels praktisch zu untergraben. In einer E-Mail an Bernd Ladwig vom 10. Januar bestätigt sie diese Aussagen – mit Ausnahme der Rede vom Genozid – ebenfalls und versucht sie durch den Verweis auf andere Wissenschaftler*innen zu legitimieren.16 Indessen tauchte ein weiterer Beleg für ihre israelfeindlichen Aktivitäten auf. So ist sie in einem Video von einer Demonstration am 1. Mai 2016 zu sehen, wie sie mit der Parole „Intifada, Serhildan! Palästina, Kurdistan!“ militante Angriffe auf den jüdischen Staat und seine Bürger*innen befürwortet.17

Die Maßnahmen, die die Institutsleitung angekündigt hatte, rechtfertigten den überschwänglichen Aktionismus der Antizionist*innen dabei eigentlich nicht – was zunächst konsequent klang, entpuppte sich schnell als fragwürdig. So sollte die Untersuchung der Vorwürfe sich zwar auf die gesamte publizistische Tätigkeit erstrecken und insbesondere die wissenschaftliche Eignung und Redlichkeit der Dozentin prüfen, was in einem Gutachten festgehalten werden sollte; beauftragt wurde mit diesem jedoch ausgerechnet Wolfgang Benz, der ehemalige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, der sich sonst in erster Linie darum bemüht, Antisemitismus und Islamophobie gegeneinander auszuspielen und, so Stephan Grigat, nicht nur dazu beigetragen habe „den Antisemitismus zu einem Allerweltsvorurteil zu verniedlichen, sondern […] das antisemitische Ressentiment nicht einmal [erkennt], wenn man ihn direkt darauf stößt. 2010 konnte man ihn in der 3Sat-Sendung Kulturzeit bewundern, wie er vor einem Plakat des dänischen Künstler-Duos „Surrend“ steht, auf dem der Deutschland-Korrespondent der Jerusalem Post als Teil der ‚jüdischen Lobby in Deutschland’ vorgestellt wurde und als Stürmer-Journalist, also als Nazi, gebrandmarkt wird. Benz erklärte vor laufender Kamera, das habe mit Antisemitismus nichts zu tun.“18

Man könnte meinen, dass die Negierung des Existenzrechtes Israels, die Reproduktion antisemitischer Verschwörungstheorien und der Aufruf zu Gewalt von einer Dozentin des OSI zumindest zu einer Podiumsdiskussion mit dem Thema „Antisemitismus in der Linken“ führt. Doch schon der Titel der Podiumsdiskussion „Israelkritik und die Grenzen der akademischen Diskussionsfreiheit“ implizierte eine gewisse Stoßrichtung der Meinun-gen, die dort von einigen Diskutierenden zum Besten gegeben wurden.19 Die Stellungnahme der OSI-Geschäftsführung rückte die bis dato geäußerte Kritik an Roldán Mendívil zudem in die Nähe eines „denunziatorischen“ Antisemitismusvorwurfs, indem der Unterschied eines solchen zum „wissenschaftlich vertretbare[n]“ Vorwurf als Gegenstand der Podiumsdiskussion angekündigt wurde.20 Trotz Ladwigs beherzten Plädoyers gegen israelbezogenen Antisemitismus während der Diskussion und der Klarstellung des Dozenten Carsten Koschmieder, dass die Ablehnung von Antisemitismus „nicht die Exklusion von politischen Ansichten“ bedeute, bleibt nach der Podiumsdiskussion der Eindruck, dass sich die Institutsleitung nicht zur notwendigen gesellschaftlichen Marginalisierung solcher Meinungen durchringen konnte. Dieser Eindruck verstärkte sich insbesondere durch Aussagen der Professorin Cilja Harders. Sie sinnierte darüber, was denn das Existenzrecht Israels eigentlich sei und kritisierte die Art und Weise, mit der Kritik an Roldán Mendívil geübt wurde. Gerade diese Kritik wurde nun zum Diskussionsgegenstand, statt über das eigentlich nennenswerte zu sprechen: den antisemitischen Gehalt der Aussagen, die Roldán Mendívil auf ihrem Blog veröffentlichte.

Roldán Mendívil konnte ihr Seminar im Wintersemester ungestört zu Ende bringen. An einer erneuten Beschäftigung im Sommersemester 2017 zeigte man von Seiten des Instituts gleichwohl kein Interesse, zumal das ersehnte entlastende Gutachten Wolfgang Benz‘ bislang noch auf sich warten lässt. Ohne die beharrliche Intervention durch Studierende würde eine bekennende Israelhasserin auch dieses Semester am OSI lehren. Der Karriere als vermeintlich aktivistisch-kritische Wissenschaftlerin hat die Aufmerksamkeit gleichwohl nicht geschadet: Die Rosa-Luxemburg-Stiftung sicherte sich für den Mai bereits ihre Dienste als Referentin.21 Lotta continua heißt es indes auch am OSI: Die Roldán Mendívil-Versteherin, Professorin Harders, kündigte für das Sommersemester 2017 ihre antizionistischen Freunde an, um – als Reaktion auf die Diskussion im Februar – noch einmal neu zu besprechen, ob sich mit „Apartheid“ und „Kolonialstaat“ Israel nicht doch treffend beschreiben und mit BDS wirksam bekämpfen ließe.22

Fußnoten:

1: Roldán Mendívil, Eleonora: Anti-Deutscher Angriff auf ‘My Right Is Your Right’ Demo – Berlin, 21. März 2015, veröffentlicht am 23. März 2015, Screenshot abrufbar unter: https://lizaswelt2010.files.wordpress.com/2017/01/mendivil-ii.jpg (alle Links zuletzt abgerufen am 17. April 2017).

2: Gruppe gegen jeden Antisemitismus an der FU: Schreiben an Präsidium und Institutsleitung, Auszüge abrufbar unter: https://www.facebook.com/notes/gegen-jeden-a nt isemit ismus-f u-berlin/schreiben-an-das-pr%C3%A4sidium-der-fu/610365752482738/.

3: http://lowerclassmag.com/2017/01/rechter-angriff-auf-kritische-wissenschaftlerin-an-der-fu-berlin/,

Pro-Zionistische Hetze gegen marxistische Dozentin

4: Roldán Mendívil 2015.

5: Monroy, Matt [Hinkelmann, Matthias]; Roldán Mendívil, Eleonora: Zwischen Angst und Verantwortung. Möglichkeiten radikaler Analyse und Kritik innerhalb der Akademie, in: AstA FU Berlin (Hrsg.): Out of Dahlem, Nr. 16, Berlin 2016, zitiert nach: http://www.academia.edu/26086453/Zwischen_Angst_und_Verantwortung_M%C3%B6glichkeiten_radikaler_Analyseund_Kritik_innerhalb_der_Akademie. H. und Roldán Mendivíl erklären Noah Chomsky in ihrer Formulierung zum größten Kritiker eines solchen Genozids. Chomsky selbst ist eine derartige Einschätzung des Geschehens allerdings mit keiner Zeile nachzuweisen, die AutorInnen verzichten zudem auf die
Verwendung der indirekten Rede.

6: Roldán Mendívil, Eleonora: Kommentar zum Artikel Und immer wieder die Anti-Deutschen…, veröffentlicht am 28. März 2014. Der Artikel wurde von der Autorin gelöscht, ein Screenshot (ohne Kommentare) ist abrufbar unter: https://lizaswelt2010.files.wordpress.com/2017/01/mendivil-i.jpg.

7: Vgl. Gat, Moshe: The Jewish Exodus from Iraq. 1948–1951, London 1997, S. 184 ff.

8 „denn die Hamas gebe [sic] es nicht und die Zustände für im Libanon lebende palästinensische Menschen gebe [sic] es nicht, tja, wenn es nicht 1948 zur Katastrophe, zu Al-Nakba gekommen wäre… also komisch dann historisch bei 2. und 3. anzufangen und nicht bei 1.!“, Roldán Mendívil 2014.

9: Vgl. Roldán Mendívil 2015.

10: Vgl. Roldán Mendívil 2014.

11: Vgl. Salzborn, Samuel: Israelkritik oder Antisemitismus. Kriterien für eine Unterscheidung, in: Brocke, Edna et al. (Hrsg.): Kirche und Israel, Heft 2013-1, zitiert nach: http://www.salzborn.de/txt/2013_Kirche-und-Israel.pdf, S. 13ff.

12: Vgl. Hinkelmann und Roldán Mendívil 2016. Die AutorInnen erklären hier ihre gemeinsame Arbeit in einer antikapitalistischen, nichtweißen Gruppe. Die Arbeit H.s in der Gruppe mit eben diesem Namen ist den Autoren dieses Briefes durch seine öffentlichen Auftritte in deren Namen bekannt.

13: Screenshot der entsprechenden Äußerung bei facebook abrufbar unter: www.t1p.de/ScreenshotZivilisten.

14: Stellungnahme der Geschäftsführung des Otto-Suhr-Instituts zu den Vorwürfen gegen die Lehrbeauftragte Roldán Mendívil, abrufbar unter: http://www.polsoz.fu-berlin.de/polwiss/_elemente_startseite/4spalten_links/Material/Stellungnahme-zum-Vorwurf-Antisemit ismus_09_01_17.pdf

15: Vgl. u.a. http://lowerclassmag.com/2017/01/rechter-angriff-auf-kritische-wissenschaftlerin-an-der-fu-berlin/, https://www.klassegegenklasse.org/pro-zionistische-hetze-gegen-marxistische-dozentin/

16: Wir beziehen uns auf eine E-Mail der Lehrbeauftragten über den Verteiler ihres Seminars, die uns vorliegt und laut ihr an Interessierte weitergegeben werden darf. Frau Roldán Mendívil leitete mit dieser auch eine E-Mail an Herrn Professor Ladwig, in welcher sie die Stellungnahme kritisiert, sowie einen Mailwechsel mit einer Mitarbeiterin des Instituts, in dem sie sich zur Kritik an ihr positioniert, weiter.

17: Siehe den Beginn des Videos: https://www.facebook.com/friedensdemowatch/videos/1229481440439443/

18: Grigat, Stephan: Postnazismus in Zeiten des Djihad, Einleitung zu Ders. (Hrsg.): Postnazismus revisited, ça ira, Freiburg i.Br. 2012, zitiert nach: http://www.ca-ira.net/verlag/leseproben/grigat-postnazismus.revisited_lp-einleitung.php

19: Für einen ausführlicheren Bericht zur Podiumsdiskussion: Schindler, Frederik: Israelkritik, „um Juden überall auf der Welt zu kränken“, http://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/israelkritik-um-juden-zu-kraenken/.

20 Ebd.

21: Für Mitte Mai 2017 ist plant die RLS zu Fanons „Die Verdammten dieser Erde“ ein Seminar, welches Roldán Mendívil anleiten soll (Stand April 2017), https://www.helle-panke.de/topic/3.html?id=2294&context.

22: Vgl. Flyer der Gruppe Gegen jeden Antisemitismus Berlin zu der ersten der angedachten drei Diskussionen. https://www.facebook.com/notes/gegen-jeden-antisemitismus-berlin/israel-im-fokus-oder-israel-im-fadenkreuz/683251458527500/
Die beschriebene Agenda benannte Cilja Harders während dieser Veranstaltung am 1. Juni 2017.