Let‘s talk about… porn!

Abseits des Mainstreams

Gibt‘s eigentlich auch etwas abseits von Mainstream Porn, und wenn ja, auch Leute, die sich sowas angucken, und wenn ja, sind da auch Akademiker*innen dabei, und wenn ja, auch solche, die darüber reden würden?

Offiziell tut‘s niemensch, besonders nicht die Bildungsschicht, also die Leute auf der Uni, und dementsprechend redet auch keine*r von ihnen darüber: denn Pornos gucken ist ja wohl etwas Unanständiges, Niveauloses und Schmutziges, pfui, weg damit, etwas für hormongesteuerte Pubertierende vielleicht, und für pervertierte einsame und traurige Gestalten, die es sowieso zu nichts gebracht haben und ebenso triebgelenkt sind – jedenfalls etwas, das weit abseits des akademisch-intellektuellen Raumes und der gebildeten Köpfe liegt und liegen soll, deren Herz, äh, Hirn, nur für die streng wissenschaftlich verifizierbare Erkenntnis schlägt und deren einzige Ergüsse von purer, geistiger, und durchweg rationaler Natur zu sein scheinen. Geforscht wird zu kulturellen Phänomenen des „Unreinen“ wie Pornographie demnach auch entsprechend wenig[1] : versuch mal, deinen Profs beizubringen, dass du deine Masterarbeit gern zum Thema Sexfilme schreiben würdest. Ohne dabei rot anzulaufen.

Wenn sich das Thema im Uni-Kontext dann doch aufdrängt, dann nicht selten nur so flüchtig, dass viele dies meist lediglich mit dieser einen, scheinbar einzigen Art von Porno-Filmen assoziieren, die irgendwie dann doch alle kennen: also diese bestenfalls nur langweiligen und schlimmstenfalls für einige sogar triggernden Darstellungen von sexuellen Handlungen, die auf sexistische Rollenverteilungen der stets eindeutig binär-geschlechtlich kodierten Protagonist*innen basieren, und, welch Überraschung, natürlich hauptsächlich heterosexuelle Vorstellungen abbilden – genauer gesagt, hetero-männliche* Fantasien bedienen.
Klar, wer sowas bei dem Thema im Kopf hat, weil si*er nur diese Art von Sexfilmen kennt, der oder dem kann schon mal richtig die Lust an der ganzen Sache mit der Pornographie vergehen.

Nachdem ich mich aber weder mit dieser mehr lustraubenden als -bringenden Art von Pornos zufrieden geben will, noch glaub, dass ich damit der Einzige bin (und den Studis – von denen ich ja selbst einer bin – sowieso nicht glaub, dass sie alle “anständig” [2] sind), hab ich also mal nachgefragt in meinem unmittelbaren akademischen Umfeld: und siehe da, (uni-)mensch hat durchaus auch andere Ansprüche als auch einige Erfahrungen, auch mit alternativen Arten von beschriebenem, fotografiertem, gefilmtem, animiertem oder anderweitig illustriertem Sex, die tatsächlich etwas Anderes sein können als eine eins zu eins Reproduktion heteronormativer patriarchaler Verhältnisse. Es gibt sie also tatsächlich: die Nachfrage nach sex-positiven, feministischen, (gender-)queeren Inhalten, und durch Mainstream Porn genervte und sich Alternativen aneignende Studierende, die auch noch bereit sind, sich geistig dazu herabzulassen, über etwas Körperliches zu reden. Ein bisschen was von meinen und deren Eindrücken, Ansichten und Einstellungen zu Porno als Unterhaltungsgut und Gesprächsthema hab ich in folgenden Text einfließen lassen.
Ist übrigens alles durchaus safe for work.. ähm.. Uni.

TYPISCH AKADEMISCHER SICHERHEITSABSTAND?

Als ich letztens mit ein paar Freund*innen aus einer Ausstellung zu Pornographie mit LGBT*-Schwerpunkt kam, war mir schon ziemlich danach. Also nein, nicht das. Auch nicht danach, sofort Pornos zu gucken – sondern einfach über das gerade Gesehene zu reden, so wie bei jeder anderen Ausstellung auch. Denn das taten wir zwar, jedoch stets aus einer depersonalisierten theoretischen Distanz zu dem Thema, wie wir es vom Studium gewohnt sind. Wir unterhielten uns also über die feministischen Diskurse die wir dazu kennen, bemängelten, dass einigen politischen Standpunkten daraus mehr Raum und Gewicht gegeben wurde, andere hingegen kaum vertreten waren, und ließen uns kurz darüber aus, dass Trans*-Porno wiedermal unter das Genre „Frauen*“-Porno als Gegenpol zu (male) Gay Porn subsumiert wurde, wobei da auch schwule Trans*Männer “mitgemeint” [3] waren, usw. Es kam bei diesen Gesprächen jedoch keine einzige Referenz auf persönliche Erfahrungen mit dem, womit wir uns die vergangenen zweieinhalb Stunden beschäftigt hatten. Bei Ausstellungen über Fotographie, Film, Musik, Technik etc. wäre das anders gewesen. Da wäre die Hemmschwelle niedriger, sich etwa darüber auszutauschen, was von dem soeben Erlebten dem eigenen Geschmack am ehesten entsprach.

Komisch eigentlich. Denn in meinem Umfeld wird an sich gern und viel über so ziemlich alles geredet. Auch über Sex, das ist also nicht das Problem. Es ist sicher nicht seltsam, wenn etwa eine Erzählung, geteilt in einem Vier-Augen-Gespräch oder auch in einer Runde von mehreren Leuten, eine Anspielung auf sexuelle Handlungen enthält, auch wenn die erzählende Person selbst darin involviert ist. Dasselbe gilt jedoch nicht, wenn es um den Konsum von Darstellungen solcher Handlungen geht. Erst recht nicht, wenn die erzählende Person in den Konsum involviert ist – geschweige denn in die Darstellung. Aber woher kommt dieses spezifische Unbehagen?

SEX IM SINGULAR ALS TABU

Eine naheliegende Erklärung ist einerseits die, dass Selbstbefriedigung – also jene spezifische sexuelle Handlung, von der angenommen wird, dass sie jeglichem Pornokonsum zugrunde liegt – tabuisierter ist als Sex mit anderen Personen. Gespräche über Masturbation werden dann doch eher einem pubertierenden Umfeld zugeordnet – und selbst da wird die große Lust, darüber zu reden, begleitet von einer großen Hemmung, weshalb das Ganze zur Sicherheit in vulgäre Scherze verpackt wird, damit‘s bloß niemensch ernst nimmt (so zumindest eine Möglichkeit der Interpretation dieses Verhaltens) .

Ein Austausch darüber ohne infantile Unbeholfenheit bzw. ohne theoretische Analysen auf der Metaebene, die weit genug von der eigentlichen Sache entfernt ist, ist hingegen eher Seltenheit. Zum Vergleich von Sex vs. Masturbation als Gesprächsthema: keine*r hätte ein Problem, sich bei den Freund*innen frustriert über das fehlende (Plural-)Sex-Leben auszulassen, etwa a lá: „Boah, es ist einfach schon zu lang her, dass ich Sex hatte, das kann doch so nicht weitergehen..“. Aber wer würde schon etwas sagen wie: „Boah, es ist einfach schon zu lang her, dass ich … [4] “. You get the idea.

Andererseits scheint dem Begriff „Porno“ an sich noch immer etwas sehr Spezifisches anzuhaften – etwas, mit dem mensch offenbar nicht so ganz assoziiert werden will. Besonders nicht als (angehende) Bildungselite.

PORN = MAINSTREAM PORN?

Ich hab also mal einige Freund*innen gefragt, was ihnen denn als erstes bei dem Wort „Porn“ in den Sinn kommt. Die Antworten wiesen eine Korrelation zum eigenen Porno-Konsumverhalten auf: diejenigen, die sich eher regelmäßig Pornos reinziehen, assoziierten, wenig überraschend, auch eher jene Inhalte damit. Diejenigen jedoch, die sich eher wenig bis nichts angucken, hatten eher „klassische“ Vorstellungen, also sowohl Begriffe wie „Selbstbefriedigung“, als auch bekannte Schema-F Mainstream Darstellungen. Letztere scheinen also nach wie vor eine (normative) default-Funktion aufzuweisen, sprich, wenn sonst eher wenig bekannt, dann wird Porno gleichgesetzt mit dieser Ausprägung davon. Wenn dieselben befragten Freund*innen wiederum Mainstream Porn mit einem Wort beschreiben müssten, so fallen die Antworten [5] jedoch relativ einheitlich – und nicht gerade zugunsten dieser default-Kategorie – aus: von “übergriffig”, “gewaltvoll” und “probematisch”, über „ekelhaft“ und “unbrauchbar” bis “laaangweilig” – kurz: schlecht [6] . Übrigens war die erste Begegnung der meisten durch mich Befragten in deren Kindes- oder frühem Jugendalter, natürlich ebenfalls mit gewohntem Content; genannt wurden etwa als misogyn beschriebene Rough Porn Videos, die ihnen Gleichaltrige „zum Spaß“ zeigten (wobei solche Erfahrungen teilweise als leicht verstörend beschrieben wurden), oder etwa diverse sexualisierende Abbildungen von Frauen* in der Kronenzeitung oder auf Werbeplakaten.

ALTERNATIVE PORN UND ACCESSIBILITY

Aber was sind die Alternativen, und (wie) kommt mensch mit Studi-Budget überhaupt dazu? Denn obwohl die Internet-Regel „If you can name it, then there‘s porn for it“ gilt, so gilt leider noch immer nicht „If you can name it, then there‘s porn for it that is as cheap and as easily accessible as mainstream porn.“ Dabei scheinen die Ansprüche meiner Freund*innen an Sexfilme, die ihnen zusagen, gar nicht so hoch oder ungewöhnlich, [7] als dass sie an sich nicht leicht realisierbar wären.

KONSENS ALS WICHTIGSTE VORAUSSETZUNG

Auch, wenn die bevorzugten Inhalte als Lustquellen eine große Diversität aufweisen – vom Fokus auf phallische Penetration bis hin zur völligen Ablehnung dieser – so ist doch allen befragten Leuten dieselbe Eigenschaft grundlegend wichtig: Es muss klar sein, dass die abgebildeten oder gefilmten Personen auch wirklich wollen, was sie tun. Ein Freund etwa hat ein großes Problem mit dem voyeuristischen Aspekt (der ja gerade der Kick für viele andere ist), da er sich nie sicher sein kann, ob die Protagonist*innen auch wirklich damit einverstanden sind, dass Fotos oder Videos von ihnen auf diese Art im Internet kursieren – was in der Tat schwer verifizierbar ist. Deshalb ist ihm bei gezeichneten Darstellungen um Einiges wohler; aber diese sind wiederum aufwendiger herzustellen, was sich in deren limitierter Verfügbarkeit und/oder Qualität ausdrückt. Für fast alle ist außerdem unglaubhaft vermittelte Lust ein Lustkiller. Ebenso wie schlechte Stories übrigens – da ist ihnen lieber, der Plot bleibt gleich völlig aus.

EHER SEXVORLAGE ALS KUNSTFORM

Immerhin besteht für viele der Sinn vom Pornos Gucken nicht etwa in dessen Kunstgehalt, sondern schlichtweg darin, sich die Selbstbefriedigung zu erleichtern, weil dadurch der Fantasie ein Teil der Arbeit abgenommen bzw. diese angekurbelt wird (weshalb Einige von ihnen Sexfilme auch als Inspirationsquelle nutzen um sich etwas „abzuschauen“). Diejenigen, die weniger Porno-affin sind, bevorzugen dafür jedoch reines Kopfkino. Was unter Anderem wiederum damit zu tun hat, dass ihnen das Angebot im Internet – der Hauptbezugsquelle für Pornos – zu platt ist. So meint etwa eine andere Freundin, dass sie, bis sie etwas findet, das sie halbwegs gebrauchen kann, mithilfe der eigenen Fantasie schon längst fertig sei. Dabei ergibt etwa die Suche nach „Queer Porn [8] “ durchaus qualitativ hochwertige Treffer – jedoch oftmals zu Angeboten, für die bezahlt werden muss. Was keine*r meiner Friends tut oder tun möchte.

DIY PORN

Ganz aussichtslos ist das Ganze aber zum Glück auch nicht: denn vor allem Amateur-Produktionen trotzen im Selfie-Stil sowohl dem Inhalt von Mainstream als auch der Kommerzialisierung von alternativen Produktionen, und können somit als Strategien zur Aneignung des Begriffes „Porno“ und des durch ihn besetzten Raumes funktionieren. Für wen also HD-Kameras und fancy Kulissen kein muss sind, di*er findet etwa auf diversen Blogging-Plattformen [9] auch queere und feministische pornographische Bilder, Comics, GIFs oder Clips, von und für Menschen, die Mainstream Porn satt haben; durchaus geeignet zum Reinschnuppern – oder zum Entspannen nach einem langen Tag auf der Uni. Enjoy!

Mike

Fußnoten:

1: Also „wenig“ verglichen mit anderen Kulturphänomenen. Ein Blick ins Vorlesungsverzeichnis der Uni Wien unterstützt zumindest diesen Eindruck. Das soll natürlich nicht heißen, dass etwa keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Pornographie stattfindet, sondern vielmehr, dass das Verhältnis zwischen jenem Phänomen und der Forschung dazu bezeichnenderweise ein anderes ist, als zwischen vielen anderen Gegenständen kultureller Produktion und deren Analyse.
Kurz gesagt: dafür, dass Porno gucken nicht gerade eine gesellschaftliche Randerscheinung ist, ist eine wissenschaftliche Repräsentation davon relativ gering.

2: Die angesprochene Dichotomie von „anständig“ vs. „unanständig“ bildet natürlich ab auf die hierarchisierte Dualität von „Geist“ vs. „Körper“ oder „Kultur“ vs. „Natur“, auch bekannt als „männlich“ vs. „weiblich“, aber auch zu finden bei „gebildet“ vs. „ungebildet“ etc. Ich will jedoch nicht die Message vermitteln, dass Sich-nicht-für-Sex(-Filme)-interessieren immer gleich „anständig“ gleich prüde oder langweilig bedeutet, wodurch ich etwa Asexualität abwerten würde.

3: Eine Problematik, die einen eigenen Artikel verdient.

4: Bezeichnenderweise fällt mir kein passender Ausdruck ein, der nicht entweder zu vulgär oder zu künstlich klingt.

5: Befragt wurden übrigens alle einzeln, die Antworten kamen demnach voneinander unbeeinflusst zustande.

6: Wer sich ein kurzes Bild davon machen will, suche einfach auf den meistbesuchten Porno-Seiten die meistgesehenen Videos oder Bilder.

7: Rein technisch betrachtet, zumindest.

8: Wer sich nicht so recht was darunter vorstellen kann, möge die Suchmaschine ihres Vertrauens benutzen.

9: Diesbezüglich ist etwa Tumblr sehr zu empfehlen.

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