Offener Brief an die Universitätsleitung der Universität Wien: Uni Wien forciert das Ende der Frauenförderung!

Die Universitätsleitung will die FEMATIK¹ Lehraufträge der historisch-kulturwissenschaftlichen und philologisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät abschaffen!

Der Genderausschuss der philologisch-kulturwissenschaftlichen und historisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien ist dafür zuständig, die Käthe-Leichter Gastprofessur und die FEMATIK Lehraufträge an den Fakultäten zu vergeben. Die FEMATIK Lehraufträge bieten eine wichtige Stütze für die Förderung von genderspezifischen Lehrveranstaltungen und Jungakademiker_innen an der Universität: Das in der Form bestehende Sonderkontingent wird nur an Personen vergeben, die in keinem festen Dienstverhältnis mit der Uni Wien stehen. Aus den Anträgen aller auf den beiden Fakultäten vertretenen Institute vergibt der Genderausschuss Lehraufträge im Ausmaß von circa 24 Stunden, die nicht nach Notwendigkeiten, sondern einzig der Qualität der Bewerbungen ausgesucht werden.

Durch die zentrale Vergabe für die kulturwissenschaftlichen Fakultäten kann sichergestellt werden, dass unabhängig von der Größe eines Instituts immer wieder genderspezifische Lehrveranstaltungen angeboten werden können. Diese sind nicht im regulären Lehrangebot integriert, sondern stehen zusätzlich zum jeweiligen Stundenkontingent zur Verfügung. Dabei ist die Notwendigkeit der FEMATIK Lehrveranstaltungen evident: Auch im Jahr 2015 würden viele Institute ohne dieses  Sonderkontingent keine Gender Lehrveranstaltungen anbieten. Somit wird durch die FEMATIK Lehrveranstaltungen dieses gesellschaftspolitisch wichtige (Lehr-)Thema in jedem Institut der beiden Fakultäten unterstützt, gefördert und garantiert.

Nun will die Unileitung die FEMATIK Lehraufträge abschaffen!² Die gerade einmal 12 (!) Lehrveranstaltungen sollen auf die jeweiligen Institute verteilt und ins reguläre Lehrangebot integriert werden. Dem Genderausschuss soll noch die ‚Möglichkeit‘ bleiben, eine Stellungnahme zur Auswahl der Lehrveranstaltungen abzugeben. Dieser Wunsch des Rektorats ist auf vielen Ebenen fatal. Die Expertise des Ausschusses, im Rahmen dessen allein aufgrund der fachlichen Qualität Anträge ausgesucht werden, wird schlicht unterminiert. Abgesehen davon muss festgehalten werden, dass die Gender Studies keineswegs in jedem Studium angekommen sind, was ein Blick in die jeweiligen Vorlesungsverzeichnisse der Studienrichtungen leicht belegt. Ebenfalls fatal ist der ‚Ersatzvorschlag‘, die circa 12 Lehrveranstaltungen nicht länger als Sonderkontingent handzuhaben, sondern dem regulären Stundenkontingent der einzelnen Institute zuzuordnen – schließlich ist nur zu leicht zu erahnen, wie der Gap zwischen „inhaltlicher Ausrichtung“ und „Stundenknappheit“ der Institute beantwortet werden wird. Außerdem würden natürlich auch niemals alle Institute zumindest zwei Stunden Lehre zugesprochen bekommen können. Durch diese Regelung entfiele für viele Institute die Möglichkeit Gender Lehrveranstaltungen anbieten zu können! Zusätzlich wird damit eine für beide Fakultäten ohnehin alarmierende Tendenz bestärkt: der Rückgang der externen Lehre und die damit verbundene Förderung von Nachwuchswissenschaftler_innen.

Wir bleiben mit – gelinde gesagt – Verblüffung über die Idee des Rektorats zurück. Darüber, dass im Jahr des 650 Jahre Jubiläums, inmitten der Selbstbeweihräucherung der Uni Wien, dieses Vorgehen überhaupt in Betracht gezogen werden kann. Da sich die Uni Wien mit „Frauenförderung und Förderung genderspezifischer Forschung“ brüstet, wäre das Mindeste, was in diesem Jubiläumsjahr zu erwarten wäre, eine Aufstockung des Sonderkontingents gewesen! Das und nichts anderes kann langfristig dazu führen, dass die Uni Wien zu der Universität wird, die sie seit Jahrhunderten glaubt zu sein. Aktuell ist die Idee des Rektorats nichts anderes als ein Rückwärtsschritt. Nachdem seit Jahrzehnten Einzelpersonen viel Energie und Zeit dafür aufgebracht haben und aufbringen, Frauenforschung und in weiterer Folge Gender- und Queerforschung in der Universität zu etablieren, bleibt die Universitätsleitung im Jubiläumsjahr ganz in ihrer Tradition als elitäre, frauenfeindliche und konservative Einrichtung ihrer Linie treu.

Dies verurteilen wir auf das Schärfste und fordern das Abwenden der geplanten Abschaffung der Vergabe der FEMATIK Lehraufträge durch den Genderausschuss und die unbedingte Beibehaltung der Lehraufträge als Sonderkontingent. Wir fordern weiterhin eine Aufstockung des Sonderkontingents für Feministische Methoden, Analysen und Theorien  in den Kulturwissenschaften!

Unterzeichnet:

  • Studentische Kurie des Genderausschusses
  • Fakultätsvertretung Gewi
  • StV / IG Germanistik
  • StV / IG Geschichte
  • ÖH Uni Wien
  • StV / Bagru Internationale Entwicklung
  • StV Klassische Philologie
  • StV / IG Komparatistik
  • StV / IG Bildungswissenschaft
  • StV Skandinavistik
  • StV / Bagru Doktoratsstudium Philosophie
  • StV Japanologie
  • StV / Bagru Soziologie
  • StV / BAGRU Gender Studies
  • StV / IG Kultur- und Sozialanthropologie
  • Studierenden-Kurie der Doktorats-Stuko Sowi
  • Verband feministischer Wissenschafteri*nnen
  • KSV LiLi
  • Mag.a Karin Macke
  • Birgit Pichler
  • Helga Pregesbauer

Stand: 4. Mai 2015 (Um die Liste aktuell zu halten, mögen sich weitere Unterstützer_innen bitte bei fv-gewi@univie.ac.at melden.)

¹ Lehrveranstaltungen aus dem Bereich von Feministische Methoden, Analysen und Theorien in den Kulturwissenschaften

² Als dieser offene Brief geschrieben wurde, ist – wie die Mitglieder des Genderausschusses Mitte März erfahren haben – die Änderung für das Studienjahr 2015/16 seit Mitte Jänner schon beschlossen. Das Rektorat hat es verabsäumt, den Genderausschuss oder die Fakultätskonferenzen der betroffenen Fakultäten in die Entscheidung miteinzubeziehen. Auch in Gesprächen der ÖH Uni Wien und Mitgliedern des Genderausschusses mit dem Rektorat nach Mitte Jänner, in denen es um dieses Thema ging, wurde diese Entscheidung nicht kommuniziert.